Samstag, 27. Juni 2015

Halbfinale verloren: Bero verzichtet auf Protest

Es war die typische Szene nach einem Neunmeterschießen: Die eine Mannschaft konnte ihr Glück kaum fassen, die andere war am Boden zerstört. Tränen der Freude, Tränen der Trauer.



"37 Siege, 2 Spiele verloren ... Das Gute ist, Fussball geht immer weiter - DANKE MÄDELS"

Drei Mal hatten die Adler-Mädchen getroffen, die Beros nur zwei Mal. So ging der Sieg in diesem Entscheidungsschießen des Halbfinals um die Berliner Meisterschaft (am Ende  der regulären Spielzeit stand es 2:2) an den SV Adler, der damit das Endspiel am 4. Juli gegen den 1.FC Union erreichte. Dazu gratulieren wir Beros den Adler-Spielerinnen herzlich.

Wie immer nach solch wichtigen und engen Spielen macht man sich Gedanken, was man an der einen oder anderen Stelle anders und vor allem besser hätte machen können. Das bezieht sich natürlich vor allem auf das Spiel der eigenen Mannschaft. Als Trainer mit 40 Jahren Schiedsrichter-Erfahrung ließ mich diesmal aber vor allem eine Szene des Spiels nicht los, die nichts mit unserer Spielweise zu tun hatte.

Zum besseren Verständnis muss man wissen, dass an einem Entscheidungsschießen nur diejenigen Spielerinnen teilnehmen dürfen, die sich beim Schlusspfiff auf dem Platz befinden. Wer zu diesem Zeitpunkt als Wechselspielerin „draußen“ steht, kann nicht als Schützin nominiert werden.

Kurz vor Schluss wollten wir deshalb Kim und Ava einwechseln. Die beiden sind beim Neunmeterschießen wahre „Eisvögel“: Sie können den Ball ruhig und souverän verwandeln. Als Adler den Ball neben das eigene Tor gespielt hatte und der Schiedsrichter „Eckball“ für uns anzeigte, rief ich ihm deshalb zu: „Schiri, wir wechseln!“

Zu meiner Verblüffung winkte er ab und rief zurück: „Das geht jetzt nicht!“ Meinen lautstarken Hinweis: „Warum nicht? Sie können uns doch nicht das Auswechseln verbieten“, ließ er unbeachtet. Der Eckball wurde wiederum zu Ecke abgewehrt. Als ich gerade noch einmal den Wechsel ankündigen wollte, pfiff der Schiedsrichter das Spiel ab. So konnten wir also im Neunmeterschießen nicht auf Kim und Ava zurückgreifen. 

Da es im gesamten Regelwerk des Fußballs keine Handhabe gibt, einen Spielerwechsel zu verbieten (warum auch?), handelt es sich hier um einen klaren Regelverstoß des Schiedsrichters.

Das ist etwas anderes als ein „Wahrnehmungsfehler“, wenn der Schiedsrichter eine Spielsituation (Foul, Ecke, Einwurf) falsch bewertet. So etwas gab es aus meiner Sicht in diesem Spiel auch einige Male, zum Beispiel bei einem Strafstoß gegen Adler. Dagegen ist allerdings kein nachträglicher Protest möglich.

Der Verstoß des Schiedsrichters gegen die Spielregeln ist aber  viel schwerwiegender, denn er macht einen Einspruch gegen die Wertung des Spiels möglich. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem vom Sportgericht stattgegeben wird, ist um so höher, je enger dieser Regelverstoß mit dem Ergebnis des Spiels zu tu hat. Man spricht dann von einem „kausalen Zusammenhang mit dem Endergebnis“.
Und der ist in diesem Fall eindeutig gegeben, zumal die beiden Spielerinnen, die wir aufgrund des Schiedsrichterfehlers  für Kim und Ava nominieren mussten, ihre Neunmeter verschossen.

Dass ein Schiedsrichter Spielszenen falsch beurteilt, gehört zum Spiel wie der Ball: Der menschliche Faktor ist bei unserem Spiel (zum Glück!) nicht auszuschalten. Dass der Verband zu einem für uns alle so wichtigen Spiel einen Schiedsrichter schickt, der einen solch kapitalen Regelverstoß begeht, das ist allerdings nur schwer zu ertragen.

Vier Tage hat man Zeit, beim Berliner Fußball-Verband Einspruch gegen die Spielwertung einzulegen. Anderthalb Tage habe ich überlegt, mir Ratschläge von Experten geholt und dann mit unserem Team gesprochen.

Klar war: Unser berechtigter Protest hätte nach der üblichen Rechtsprechung des Sportgerichts zu einer Neuansetzung des Spiels führen müssen. Dennoch haben wir uns am Freitagabend nach dem gemeinsamen Gespräch mit den Mädchen dagegen entschieden.

Zum einen: Wir hätten das Halbfinale in der normalen Spielzeit für uns entscheiden müssen, die Chancen waren da und die beiden Adler-Tore sicher vermeidbar. 

Zum anderen: Manch einer, der sich in den Regeln und Regularien des Spiels nicht genau auskennt, würde uns für schlechte Verlierer halten. Das wäre uns allerdings egal, denn mit einem Einspruch würden wir ja nur das einfordern, was uns nach eben diesen Regeln zusteht.

Wie auch immer, ausschlaggebend in unserem Gespräch war letztlich diese Überlegung: Wie würden sich unsere Mädchen  fühlen, wenn die Sache umgekehrt wäre? Sie feiern seit zwei Tagen ihren Sieg über Adler und freuen sich wie verrückt auf das Finale um die Berliner Meisterschaft. Dann kommt die Nachricht: Weil ein Schiedsrichter etwas verbockt hat, müsst ihr nochmal gegen Adler spielen! Mit der großen Gefahr zu verlieren, so dass es doch nichts wird mit dem Endspiel.

Viele Bero- und Adler-Mädchen spielen seit der F- und E-Mädchen-Zeit gegeneinander, sie kennen sich gut. Freundschaften haben sich gebildet, einige spielen gemeinsam in der Berliner Auswahl und besuchen zusammen Lehrgänge des BFV. Sogar eine Bero-Adler-Whatsapp-Gruppe gibt es.

All das soll keinen Knacks bekommen, denn der Wert und vor allem der Bestand solcher Freundschaften, die sich aus dem gemeinsamen Sport entwickeln, sind für uns letztlich wichtiger als die kurzfristige Durchsetzung einer berechtigten Rechtsforderung.

Wobei es – ohne Häme – schon interessant gewesen wäre zu sehen, wie der BFV das entstehende Termin-Problem mit einer Neuansetzung des Halbfinals und der dann wahrscheinlichen Verschiebung des Endspiels gelöst hätte.

Sei es wie es sei: Das Bero-Team freut sich auf weitere Spiele gegen die Adler-Mädchen – in der neuen Saison dann als C-Mädchen in der Verbandsliga.

Für Bero gegen Adler am Ball: Ava, Celine, Hannah H., Hannah K., Jacky, Kim, Lotti, Luca, Mona, Philine, Sanna, Selin.


Lutz Lüttig
 


1 Kommentar:

  1. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das so eindeutig ein "klarer Regelverstoß" war, denn dass ein Schiedsrichter einer Auswechslung nicht umgehend zustimmt, durfte man schon oft wahrnehmen, auch bei den "Großen", da hat der SR meines Erachtens einen Ermessensspielraum. Und das er danach abpfeift, ist dann schlicht Pech. Einerseits wundere ich mich, dass das bei Euch dermaßen intensiv zu so einem Thema wurde, andererseits gefällt mir, dass Ihr im Sinne des Fairplay darauf verzichtet habt, diese eventuelle Chance zu ergreifen.

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